Nachzahlungen des Jobcenters können nicht gepfändet werden

Werden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für zurückliegende Zeiträume nachgezahlt, sind bei der Bemessung des pfändungsfreien Betrages gemäß § 850k Abs. 4 ZPO die nachgezahlten Beträge den Leistungszeiträumen zuzurechnen, für die sie gezahlt werden. Das hat der Bundesgerichtshof am 24.01.2018 entschieden.

Das Gericht geht davon aus, dass sich die auf Antrag der Schuldnerin erfolgte Anordnung des Vollstreckungsgerichts im Hinblick auf eine auf dem Pfändungsschutzkonto der Schuldnerin eingegangene Nachzahlung in Höhe von 5.584,16 € einen erhöhten pfändungsfreien Betrag nach § 850k Abs. 4 Satz 1 ZPO festzusetzen, als rechts- und ermessensfehlerfrei darstellt. Durch diese Art der Berechnung des dem Schuldner pfandfrei zu belassenden Betrags wird dem aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG folgenden Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums Rechnung getragen.

Auch rückwirkend gezahlte Leistungen nach dem SGB II sind also bis zur Pfändungsfreigrenze geschützt.

BGH, VII ZB 21/17, Beschluss vom 24. Januar 2018

Nachweis im Widerspruchsverfahren

Nach § 41 a SGB II sind sogenannte Aufstocker (es betrifft vor allem Freiberufler) nach Ablauf des Bewilligungszeitraums verpflichtet, die vom Jobcenter zum Erlass einer abschließenden Entscheidung geforderten leistungserheblichen Tatsachen nachzuweisen. Erfolgt dies nicht, nicht vollständig oder trotz angemessener Fristsetzung und schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen nicht fristgemäß, darf das Jobcenter feststellen, dass ein Leistungsanspruch nicht bestand.

Das SG Dresden (S 52 AS 4382/17) hat auf dieser Grundlage ergangene Festsetzungs- und Erstattungsbescheide jetzt aufgehoben.

Nach Auffassung des Sozialgerichts berechtigt auch die Änderung des § 41 a SGB II zum 01.08.2016 das Jobcenter nicht dazu, Leistungsempfänger im Widerspruchsverfahren mit erst jetzt beigebrachten Nachweisen auszuschließen.

Vielmehr müsse das Jobcenter die Ansprüche auch dann vollständig berechnen, wenn die Angaben erst im Widerspruchsverfahren gemacht werden.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit hat das SG Dresden in allen acht Verfahren die Sprungrevision zum BSG zugelassen. Dort ist bereits ein Verfahren unter dem Aktenzeichen B 4 AS 39/17 R anhängig, weil auch das Sozialgericht Berlin (Az: S 179 AS 6737/17) die Rechtsansicht vertrat, die jetzt das SG Dresden bestätigt.

Die Entscheidung des Bundessozialgerichts bleibt abzuwarten.

Kostet das Reisen das Kindergeld?

Ich habe gerade das Abi geschafft und möchte jetzt ein Jahr als Angestellter, Minijobber oder auf selbstständiger Basis arbeiten und reisen. Hat meine Planung Folgen für das Kindergeld meiner Eltern – und wenn, ab wann und bis wann?

Kindergeld erhalten Ihre Eltern, solange Sie unter 18 Jahre alt sind und im Haushalt Ihrer Eltern leben. Voraussetzung für den Bezug ist also zunächst, dass Sie auch während Ihrer Reisen, Ihren gewöhnlichen Wohnsitz bei den Eltern nicht aufgeben.

Volljährige Kinder erhalten Kindergeld, wenn sie sich im Studium oder in einer Ausbildung befinden. Nach der Beendigung der Schule und vor Beginn des Studiums zahlt die Familienkasse für eine Übergangszeit bis zu vier Monaten das Kindergeld weiter, wenn absehbar ist, dass Sie ein Studium beginnen oder eine Lehre absolvieren werden. Es ist also sinnvoll, sich schon mal auf ein Studium zu bewerben.

Fallen bis zum Beginn des angestrebten Studiums längere Wartezeiten als 4 Monate an oder wird man zunächst von einer Universität abgelehnt, muss der Familienkasse nachgewiesen werden, dass die Verzögerung auf den Mangel an Studienplätzen zurückzuführen ist. Ist die Verzögerung auf die zwischenzeitlich ausgeübte Tätigkeit oder die Reisen zurückzuführen, führt dies zum Verlust des Kindergeldanspruchs.

Um den Kindergeldanspruch bis zum Studienbeginn auch über die 4 Monate hinaus zu sichern, besteht schließlich die Möglichkeit, sich bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitslos bzw. ausbildungssuchend zu melden. Das ist natürlich nur möglich, wenn man der Arbeits- bzw. Ausbildungsvermittlung zur Verfügung steht, also nicht auf Reisen ist oder in Vollzeit eine Tätigkeit ausübt. Eine kurzfristige Tätigkeit steht der Meldung nicht entgegen.

Innerhalb der ersten vier Monate nach dem Schulabschluss steht die Erwerbstätigkeit selbst dem Anspruch auf Kindergeld nicht entgegen. Aber selbst nach dem Abschluss einer ersten Berufsausbildung oder eines ersten Studiums schadet eine geringfügige Tätigkeit oder eine Erwerbstätigkeit mit nur bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitstätigkeit dem Anspruch auf Kindergeld nicht.

Tagesspiegel – Rechtsfrage an Denise Paetow, Fachanwältin für Sozialrecht, Oktober 2017

Anrechnung von Erwerbseinkommen von Rentnern in gemischter Bedarfsgemeinschaft

In einer gemischten Bedarfsgemeinschaft aus einem erwerbsunfähigen Rentner und einem Leistungsempfänger nach SGB II wird neben der Rente (und z.B. Wohngeld) auch das Erwerbseinkommen des Rentners bei der Berechnung der Leistungen des Leistungsempfängers nach SGB II angerechnet. Für das Erwerbseinkommen des Rentners, gelten – weil er nicht erwerbsfähig ist – nicht die Freibeträge nach SGB II.

Dadurch kommt es zu einer Benachteiligung der Bedarfsgemeinschaft gegenüber Bedarfsgemeinschaften aus Leistungsempfängern nach SGB II, bei denen einer erwerbstätig ist. Diese soll nach § 82 Absatz 3 Satz 1 SGB XII ausgeglichen werden. Danach wird bei der Anrechnung des Erwerbseinkommens ein Freibetrag in Höhe von 30 Prozent des Einkommens – höchstens jedoch 50 Prozent der Regelbedarfsstufe 1 (204,50 € im Jahr 2017) – eingeräumt. Bei einem monatlichen Einkommen von 400,00 € wäre somit ein Freibetrag von 120,00 € zu berücksichtigen.

Erzielt der Rentner für eine Ehrenamtliche Tätigkeit eine Aufwandsentschädigung, ist diese mit einem Betrag bis zur Hälfte der Eck-Regelleistung anrechnungsfrei. Nicht berücksichtigt werden im Übrigen auch steuerfreie Einnahmen aus einer nebenberuflichen Tätigkeit als Übungsleiter, Betreuer oder Lehrer, die sogenannte Übungsleiterpauschale nach § 3 Nr. 26a EStG bis zu 2.400 € im Jahr oder 200 € im Monat.

Eile ist geboten – Bundesverfassungsgericht zu Unterkunftskosten

In einstweiligen Rechtsschutzverfahren vor dem Sozialgericht muss geprüft werden, ob die notwendige Eilbedürftigkeit für eine vorläufige Leistungsgewährung vorliegt.

Sind die Kosten für Unterkunft und Heizung streitig stellten sich die Sozial- und Landessozialgericht auf den Standpunkt, Eilbedürftigkeit sei erst gegeben, wenn eine Kündigung der Wohnung erfolgt sei und bereits Räumungsklage erhoben wurde. Das Bundesverfassungsgericht hat nun entschieden, dass diese pauschale Annahme rechtswidrig ist.

Gerichte sind gehalten, vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, wenn den Antragstellenden sonst eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in ihren Rechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann. Dazu gehört es, den Wohnraum in einem bestehenden sozialen Umfeld nach Möglichkeit zu erhalten. Daher ist bei der Prüfung, ob ein Anordnungsgrund für den Eilrechtsschutz vorliegt, im Rahmen der wertenden Betrachtung zu berücksichtigen, welche negativen Folgen finanzieller, sozialer, gesundheitlicher oder sonstiger Art ein Verlust gerade der konkreten Wohnung für die Betroffenen hätte. Diesen Anforderungen wird das Landessozialgericht vorliegend nicht gerecht. Es stellt allein und schematisch auf die Erhebung der Räumungsklage ab und legt seiner Entscheidung damit ein der gesetzgeberischen Zwecksetzung nicht entsprechendes, zu enges Verständnis des wesentlichen Nachteils zugrunde.

BVerfG, Beschluss vom 01. August 2017 – 1 BvR 1910/12

Urlaub mit dem Jobcenter

Ich bin arbeitslos und bekomme Hartz IV. Ich wollte in Urlaub fahren, aber das Jobcenter hat mir für die Zeit Vermittlungsvorschläge geschickt. Muss ich meinen Urlaub abblasen?

Da Sie im Leistungsbezug beim Jobcenter stehen gilt für Sie § 7 Abs. 4a SGB II. Danach erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte keine Leistungen, wenn sie sich ohne Zustimmung außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs aufhalten und deshalb nicht für die Eingliederung in Arbeit zur Verfügung stehen. Die Vorschrift regelt aber auch, dass das Jobcenter verpflichtet ist, die Zustimmung für eine Ortsabwesenheit zu erteilen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt und die Eingliederung in Arbeit nicht beeinträchtigt wird. Die Zustimmung zu einer Ortsabwesenheit kann aber auch – für insgesamt bis zu drei Wochen (21 Kalendertage) im Jahr zu Urlaubszwecken – erteilt werden, wenn also kein wichtiger Grund vorliegt. Die Eingliederung in Arbeit darf auch hier nicht gefährdet werden.

Wenn Sie Ihren Urlaub beantragt haben und das Jobcenter Ihrem Antrag auf Ortsabwesenheit schriftlich zugestimmt hat, darf es für diese Zeit keine Vermittlungsvorschläge oder Maßnahmen anordnen. Denn für den Zeitraum eines genehmigten Urlaubs ist der Leistungsempfänger von seinen Mitwirkungspflichten freigestellt.

Wichtig ist, dass Sie den Antrag rechtzeitig stellen. Fristen sind zwar nicht geregelt, der Antrag sollte aber 14 Tage vor dem geplanten Urlaub gestellt werden, damit das Jobcenter reagieren kann. Bei einer Ortsabwesenheit über drei Wochen, entfällt übrigens Ihr Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Sind Sie insgesamt länger als 6 Wochen ortsabwesend, besteht für den gesamten Zeitraum, also auch für die ersten drei Wochen, kein Anspruch. Schließlich müssen Sie sich nach der Rückkehr aus dem Urlaub beim Jobcenter zurückmelden, da sonst – bei ordnungsgemäßer Belehrung – Sanktionen (Leistungskürzung um 10 %) drohen.

Bitte lesen Sie sich unbedingt einmal die Erreichbarkeits-Anordnung (EAO) durch, die – verteilt auf fünf Paragraphen – sämtliche Anwesenheitspflichten und Abwesenheitsrechte eines Leistungsempfängers zusammenfasst.

Sie können also in Urlaub fahren, wenn Sie sich den Urlaub vorher haben genehmigen lassen. Teilen Sie dem Jobcenter unter Hinweis auf den genehmigten Urlaub mit, dass Sie den Vermittlungsvorschlägen nicht nachkommen können. Haben Sie keine schriftliche Zustimmung, müssen Sie den Urlaub leider abblasen, wenn das Jobcenter den Urlaub nicht doch noch genehmigt, was wegen der anstehenden Arbeitsvermittlungstermine aber nicht recht wahrscheinlich ist.

Tagesspiegel, Rechtsfrage an Denise Paetow, Fachanwältin für Sozialrecht, Februar 2017

Keine Bedürftigkeit, wenn das Eigenheim zu groß ist

Das Bundessozialgericht hat am 12.10.2016 den Anspruch einer Familie auf Leistungen nach dem SGB II abgewiesen, weil das selbstbewohnte Eigenheim einige Quadratmeter zu groß ist. Die Familie bekommt jetzt solange eine Darlehen vom Jobcenter bis das Haus verkauft ist.

Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer eines Hausgrundstücks mit einem von ihnen selbst 1996 erbauten Einfamilienhaus, dessen Wohnfläche 143,93 qm beträgt. Sie bezogen das Haus zunächst mit ihren vier Kindern, bewohnten es dann aber nur noch zusammen mit dem jüngsten Sohn.

Das SG Aurich hatte das Jobcenter zunächst verurteilt, den Klägern die Leistungen weiter zu gewähren, weil es sich bei Einzug noch um ein angemessenes Hausgrundstück gehandelt habe. Das Landessozialgericht hatte das Urteil aufgehoben und das Hausgrundstück als Vermögen berücksichtigt, weil auf die Lebensumstände während des Bezugs der Leistungen der Grundsicherung abzustellen sei. Im streitbefangenen Zeitraum sei das Haus nur von drei Personen bewohnt worden. Darauf, dass es ursprünglich für eine sechsköpfige Familie erbaut wurde, komme es nicht an.

Das BSG bestätigt nun, dass die Kläger mangels Bedürftigkeit keinen Anspruch auf Umwandlung der darlehensweise gewährten Leistungen in einen Zuschuss haben. Diesem Anspruch steht entgegen, dass ihr Hausgrundstück mit Einfamilienhaus wegen seiner Größe als Vermögen zu berücksichtigen ist. Nur ein selbst genutztes Hausgrundstück angemessener Größe gilt als Schonvermögen; maßgebend für die Angemessenheit Lebensumstände während des Leistungsbezuges. Für die Beurteilung der Angemessenheit ist die Gesamtwohnfläche des auf dem Grundstück errichteten Hauses maßgeblich. Diese ist bundeseinheitlich nach den Wohnflächengrenzen des zum 01.01.2002 außer Kraft getretenen Zweiten Wohnungsbaugesetzes (II. WoBauG) zu bestimmen, differenziert nach der Anzahl der Personen. Für Familienheime mit nur einer Wohnung, die von bis zu vier Personen bewohnt werden, sah das II. WobauG eine Wohnflächengrenze von 130 qm vor. Diese Wohnflächengrenze ist bei einer Belegung mit weniger als vier Personen um jeweils 20 qm pro Person zu reduzieren. Hiervon ausgehend beträgt die Wohnflächengrenze einer angemessenen Wohnung im Fall der Kläger 110 qm, denn das Haus wurde im streitbefangenen Zeitraum nur von drei Personen bewohnt.

Eine Erhöhung der allgemeinen Angemessenheitsgrenze kann entgegen der Auffassung des LSG auch nicht § 82 Abs. 3 Satz 2 II. WoBauG herangezogen werden, wonach eine Verminderung der Personenzahl nach dem erstmaligen Bezug der Wohnung für die Beurteilung der angemessenen Wohnfläche von steuerbegünstigten Wohnungen unschädlich ist. Die Verwertung des Grundstücks sei auch nicht offensichtlich unwirtschaftlich.

Keine Grundsicherung für EU-Ausländer

Immer mehr deutsche Sozialgerichte widersprechen der aktuellen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes, wonach EU-Ausländer, die keine Leistungen vom Jobcenter beanspruchen können, Anspruch auf Leistungen auf Sozialhilfe haben.

Im Februar dieses Jahres hatte das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz entschieden, dass EU-Ausländer keinen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch II oder XII haben, wenn sie sich nur zum Zweck der Arbeitssuche in Deutschland aufhalten. Im August bekräftigte das Gericht nun seine Auffassung und stellte klar, dass sich der Ausschluss auch Familienangehörige erstreckt (Beschluss vom 08. August 2016, Az. L 3 AS 376/16 B ER).

Der Ausschluss von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II ergebe sich unmittelbar aus § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II, wenn der EU-Bürger allenfalls noch ein Recht zum Aufenthalt zum Zwecke der Arbeitsuche geltend machen könne. Er sei insoweit ausdrücklich mit seinen Familienangehörigen vom Leistungsbezug ausgeschlossen. Die Familie könne auch keine Grundsicherung nach dem SGB XII (Sozialhilfe) verlangen, entschied das LSG. .

Das Bundessozialgerichts hatte in seinem Urteil vom 03. Dezember 2015 entschieden, dass EU-Bürgern bei einem Aufenthalt von mindestens sechs Monaten im Bundesgebiet Sozialhilfe gewährt werden müsse. Das LSG geht davon aus, dass der Ermessensspielraum der Behörde – anders als vom BSG angenommen – nicht auf Null reduziert sei. Ein Anspruch ergebe sich weder aus dem Gesetz noch sei er durch das Grundgesetz oder Europäisches Recht geboten

Darlehen vom Jobcenter nur in Höhe von 10 % vom Regelsatz

Nach § 42 a Abs. 2 SGB II werden Rückzahlungen aus vom Jobcenter gewährten Darlehen ab dem Monat, der auf die Auszahlung folgt, durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs getilgt, solange der Darlehensnehmer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bezieht.

Auch für die Tilgung mehrerer Darlehen ist die Aufrechnungssumme auf 10 % des Regelbedarfs begrenzt. Dies entschied am 06.07.2015 das Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg per beschluss im einstweiligen Rechtsschutz.

Fordert das Jobcenter mehr zurück, sollte gegen die Aufrechnung zunächst fristgerecht Widerspruch eingelegt werden. Dieser Widerspruch entfaltet bereits aufschiebende Wirkung. Rechnen die Jobcenter dennoch weiter auf, können sie im Rahmen einer einstweiligen Anordnung gerichtlich verpflichtet werden, die Aufrechnung nur in rechtmäßiger Höhe vorzunehmen.

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, L 32 AS 1688/15 B ER

„…, soweit diese angemessen sind“

Das Sozialgericht Mainz hat mit Beschluss vom 12.12.2014 (S 3 AS 130/14) ein Verfahren ausgesetzt, in dem es um die Übernahme von Aufwendungen für die Unterkunft im Rahmen von Leistungen nach dem SGB II geht.

Das Gericht hält § 22 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz SGB II („…, soweit diese angemessen sind“) für verfassungswidrig und hat die Frage dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt. Das Bundesverfassungsgericht muss über den Vorlagebeschluss mit einer schriftlichen Begründung entscheiden.

Regelbedarfsleistungen derzeit noch verfassungsgemäß

Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches sind derzeit noch verfassungsgemäß. Dies hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 23. Juli 2014 entschieden. Die Anforderungen des Grundgesetzes, tatsächlich für eine menschenwürdige Existenz Sorge zu tragen, würden im Ergebnis nicht verfehlt.

Unter anderem das Sozialgericht Berlin hatte die im Jahr 2011 geänderten Regelungen zur Ermittlung und Festsetzung der Regelbedarfe für verfassungswidrig gehalten, zwei Verfahren ausgesetzt und die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Regelbedarfe dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt.

Das Bundesverfassungsgericht bestätigt mit dem jetzt veröffentlichten Beschluss, dass das Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums in Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG garantiert ist. Dieser Anspruch erstrecke sich auf die unbedingt erforderlichen Mittel zur Sicherung der physischen Existenz sowie zur Sicherung eines Mindestmaßes an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben.

Die Auswahl einer tauglichen und sachgerechten Methode zur Ermittlung dieser Bedarfe und zur Berechnung der Leistungen komme dem Gesetzgeber zu. Er dürfe keine Methode wählen, die existenzsichernde Bedarfe ausblendet, müsse die Berechnung fortwährend überprüfen und falls erforderlich weiterentwickeln.

Das BVerfG stellt nun fest, dass die Festsetzung der Gesamtsumme für den Regelbedarf nicht erkennen ließe, dass der existenzsichernde Bedarf nicht gedeckt sei. Mit der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) stütze sich der Gesetzgeber auf geeignete empirische Daten. Auch die Entscheidung, bei der EVS 2008 nur noch die einkommensschwächsten 15 % der Haushalte als Bezugsgröße heranzuziehen (statt wie zuvor die unteren 20 %), sei sachlich vertretbar. Ergeben sich erhebliche Zweifel an der tatsächlichen Deckung existenzieller Bedarfe, läge es aber im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, rechtzeitig geeignete Nacherhebungen vorzunehmen, Leistungen auf der Grundlage eines eigenen Index zu erhöhen oder Unterdeckungen in sonstiger Weise aufzufangen. Das gälte beispielsweise für den Haushaltsstrom, wo der Gesetzgeber im Falle außergewöhnlicher Preissteigerungen verpflichtet sei, die Berechnung schon vor der regelmäßigen Fortschreibung anzupassen.

Die teilweise gesonderte Deckung von existenzsichernden Bedarfen, insbesondere über das Bildungspaket und das Schulbasispaket, sei vom Gesetzgeber tragfähig begründet. Allerdings müssen die Bildungs- und Teilhabeangebote für die Bedürftigen auch tatsächlich ohne weitere Kosten erreichbar sein; daher ist die neu geschaffene Ermessensregelung zur Erstattung von Aufwendungen für Fahrkosten als Anspruch auszulegen.

Der Gesetzgeber habe schließlich auch tragfähig begründet, warum sich die Fortschreibung der Regelbedarfe an die bundesdurchschnittliche Preis- und Lohnentwicklung anlehnt. Die Preisentwicklung müsse allerdings – wie geschehen – im Vergleich zur Lohnentwicklung stärker gewichtet werden, weil gerade bei Leistungen zur Deckung des physischen Existenzminimums deren realer Wert zu sichern ist.

Es bleibt nun abzuwarten, wie die konkreten Hinweise in der Entscheidung die Praxis der Jobcenter und Sozialgerichte beeinflusst.